Das "Monster" Gastronomie
13.08.2022
Dass etwas im Gastgewerbe "schiefläuft" steht ab und zu in der Zeitung. Man klagt über Personalnot und hat wohlklingende und gerne gehörte Erklärungen bereit. Wenn die "Böcke" zu Gärtner werden, wie üblich, kommen Halbwahrheiten heraus, denn man beurteilt das, ohne an sich selbst zu denken. Man kehrt nicht gerne vor der eigenen Tür.
Das Ungeheuer „Gastronomie“.
In Österreich gibt es laut Statistik Stand 2021 38.810 „Gastronomie-betriebe“ . Davon sind etwa gut 20.000 Gastronomiebetriebe, welche in irgendeiner Form eine qualitativ, für den Beruf Koch, Köchin, Kellner oder Kellnerin relevant sind, so dass dort auch eine gediegene Ausbildung stattfinden kann, und daher auch ein angemessener Berufsstandard zu erwarten ist.
Zu Gastronomie zählen aber generell alle Betriebe, wo nur irgendwie eine Mahlzeit oder Getränk ausgeschenkt werden kann. Großbetriebe zur Massenverpflegung und Betriebskantinen. Auch Schnellimbissbuden, Diskotheken, Nachtclubs und so weiter.
2021erwirtschafteten Restaurants, Großküchen und Schankbetriebe - einen Gesamtumsatz von zirka 8 Milliarden Euro. Die Anzahl der Gastronomieunternehmen ist jetzt wieder etwas gewachsen. Etwa 167.000 Beschäftigte waren 2021 in der Gastronomie beschäftigt. Der Personal-bedarf ist wieder enorm gestiegen. Es fehlen vor allem Lehrlinge und Quereinsteiger in die angebotenen Berufsgruppen. Warum ist das so?
Hinter dem Organisieren der gewerblichen Gastronomie steht ein kom-plexes System, das historisch gewachsen ist und das in seiner Struktur fast nicht lösbare Verbindungen zu allen Wirtschaftsbereichen besitzt und damit auch in das Privatleben der Menschen eingreift.
Technik, Bauwirtschaft, Handel und Hersteller von allen gastronomisch nutzbaren Gegenständen und Produkten ziehen an den Fäden welche bis ins letzte Glied, dem arbeitenden Menschen, spürbar werden, und die Unbeliebtheit der Arbeit damit, bei vielen Menschen immer weiter steigerten.
Das erweitert sich bis in den privaten Bereich, dass man die „gastronomischen Errungenschaften“ auch dort nachzumachen gezwungen wird. Dazu wird das Spektrum dieses Gewerbes geradezu „überverwaltet“, was eine konkrete wahrheitsgetreue Beurteilung der verschiedenen aus diesen Umständen resultierenden Probleme fast unmöglich macht.
Es ist ein großer wirtschaftlicher „Staat“ in jedem Land, der unbemerkt, aber gewollt, ein übergewichtiger Koloss in einem Kosmos von verschiedensten Vorstellungen geworden ist, unter dem seine eigene Bestimmung, und vor allem die darin verwickelten Existenzen schon fast zusammenbrechen. Gemacht von Menschen, die fern von der Arbeitswirklichkeit darüber entscheiden was gemacht werden muss. Die Menschen, darin verwickelt merken das, doch sie haben keine wirkliche gemeinsame Stimme, und sie organisieren sich schlecht, so dass dieses Ungeheuer von Verwaltungsstrukturen ungehemmt weiter wachsen kann.
Es ist sehr schwer, als ein fachlich interessierter Mensch in den Gremien der „Kammern“ irgendwelchen Einfluss zu nehmen, dieses System von unten her für Veränderungen anzugreifen, etwa Arbeitsbedingungen oder Öffnungszeiten anders zu standardisieren, ohne sich bei den Erzeugern dieses Wahnsinns anbiedern zu müssen. Damit verliert sich aber auch schnell die Wirksamkeit der Kritik.
Diese Organisationen haben sich ihre eigene Schulweisheit erzeugt. Ihre Moral ist zu tun was ihnen nützt, im Dienste des Profits und zur Befriedigung der Kapitalgeber. Diese eigenartige und schon längst pervertierte Weisheit lernt man als Mitarbeiter von Grund auf schon in den unterklassigen Berufsfachschulen. Außerhalb dieses gemachten Wissensimperium ist man ein missliebiger Querdenker und Spinner.
Die „Guten Ideen“ dieser Gewalthaber setzen immer die braven gut erzogenen Soldaten des Systems um. Missstände werden grundsätzlich solange verschwiegen, bis es nicht mehr geht. Und zur Reparatur werden die Methoden herangezogen, welche die Systemsoldaten selbst erdenken dürfen.
Die Gastronomie ist praktisch ein 24 Stunden und 7 Tage „Maschinerie“ geworden, wo jeder beliebige Mensch, der sich zu einem Betrieb entschließt, praktisch machen kann, was ihm beliebt, solange er Umsatz generiert und Steuern erwirtschaftet.
In den Monaten der Zwangssperre beispielsweise, mussten daher auch Lokale zusperren, wo niemals ein Problem mit den erforderlichen Kontaktbeschränkungen wegen der chinesischen Fieberseuche aufgekommen wäre.
Im Restaurant/Gasthaus, wo die Menschen still genießend an Tischen sitzen, nicht tanzen, und sogar einzeln zur Toilette gehen, wäre jederzeit der normale Betrieb möglich gewesen. Doch wer mit Großdiskotheken, Bordellen und Spielcasinos im gleichen Verband sitzt, hatte da so gut wie nichts zu reden. Die Vernunft ist keine Tugend von Politikern und Experten, sie dienen IHREN selbstsüchtigen Zielen. Und das ist gesetzlich abgesichert. Nie hörte man die sogenannten sonst groß tönenden „Wirtevertreter“ eine Kritik anmelden. Also schädigte die Staatsgewalt ohne großen Widerspruch, per Erlass, alle.
Keiner der angestellten Funktionäre in den Wirtschaftskammern regte sich darüber groß auf. Doch diese Funktionäre sind fast ausnahmslos Agenten der Großgastronomie, welche ihre Welt nur mehr auf Kapitalgeber, Automation und Technologie baut. Dahinter lauern schon die internationalen „global players“, Reiseunternehmen und Lebensmittelkapitalisten, welche die Ernährung der gesamten Welt zu steuern versuchen. Diese großen globalen Spieler haben natürlich die gesamte Medienwelt der Gastronomie fest im Griff, besitzen Medienanstalten und tausende Möglichkeiten das Verhalten der darin verwickelten Massen mit ihrer geistigen Pest zu infizieren.
Ohne sie wird praktisch nichts geschrieben. Der wichtigste Teil davon scheint die von den Medienanstalten erwählte Prominenz des Gewerbes zu sein. Solange, bis man einen hemmungslos brutal fallen lässt, wenn er sich zuvor menschlich in eine Situation gebracht hat die sein Fortkommen in der Spitzenklasse nicht mehr rechtfertigt. Mehr als nützliche Idioten sind sie aber nie gewesen, das kann historisch belegt werden, denn viele Spitzenköche starben als bettelarme Männer. Teilweise auch von ihrem Lebensstil von Siechtum und Alkoholsucht gezeichnet.
Die ausgezeichneten Hoteldirektoren, die „Spitzenköche“ und besten der Hersteller gastronomischer Freuden machen den Vorzeigekasperl in den Medien für die Konsumgesellschaft. Ihnen legt man in den Mund was sie von sich geben dürfen. Sie werden so zu perfekten Funktionssklaven im Konzentrationslager „Gastronomie“ und merken das leider nicht.
Von dieser „Elite“, oben, wo der Sterne- Gabel- und Haubenkönig mit seinen Gütesiegeln und Ehrenplaketten an der Eingangstür sein Reich absteckt, hörte man daher auch nie etwas eigenständig „Selbstgedachtes“, kein unterdrücktes Murren als die Zwangsmaßregelungen sie geschäftlich erledigten, oder schon gar nicht wenn es darum geht die Arbeit für alle etwas leichter zu machen. Es wird auf die durch die medienwirksamen Auftritte erzeugte Unterwürfigkeit des eintretenden Klientels gesetzt, und lacht sich ins Fäustchen wenn die Kasse klingelt.
Man jammert gerne über Stress und Belastung wie ein schwer verletzter Spitzensportler, man weiß über Drogensucht und gesundheitliche Abstürze von berühmten Kollegen Bescheid, aber man fühlt sich gut dabei.
Man legt sich mit großer Freude weitere Mühlsteine auf den Rücken.
So ist die Gastronomie in unserer Zeit ist schon ein sagenhafter Abgrund der unsinnigsten Tollheiten. Ein Ungeheuer das sich im Mantel von guter Sitte und gutem Geschmack perfekt tarnt. Jeder wie er will, und kann.
Da machen Leute schon völlig ohne eigenes Wissen ihr Geschäft und sie erziehen ihr Kunden ohne Wissen zu noch mehr Unwissen. Es gibt keine Autorität mehr, die sich darum kümmert. Denn die Autorität ist das oben angesprochene Szenario. Ein hundertarmiges Monstrum hat sie gefangen und wird sie nicht mehr loslassen.
Die Spirale der großen Ernährungsdummheit dreht sich munter weiter nach unten. Immer mehr künstliche Nahrung landet am Tisch der Menschen. Die Landwirtschaft generiert zur Nebensache. Man träumt von Kunstfleisch.
Die ernährungsbedingten Krankheitsbilder der unwissenden Opfer erzählen diese eigenartige und völlig andere Geschichte. Die Pharmazie rüstet auf. Geld fließt in Strömen. Doch niemand unternimmt etwas.
Die Personen welche noch wissen was an genießerischer Wirklichkeit ihn im Restaurant erwartet, sind schon rar geworden. Ahnungslos verlassen die Generalkonsumenten sich blind auf das, was sie im jeweiligen Glanzmagazin oder Onlinekanal, dessen Fan man geworden ist, erlesenen hat, das Spektakel um den Haubenkoch im Fernsehen und das gedruckte in speziellen Fachzeitschriften, durchwegs Befeuerer und Überhitzer des Konsums, und Nachäffer von irgendwo auf der Welt erzeugten Trends.
Gastronom und Gast sind eine verdummte Bruderschaft geworden, das dient dem Geschäft, wie Kunstdünger auf der Bananenplantage.
Da werden ahnungslos bunte gut riechende und prickelnde Getränke zu sich genommen, die ein jugendlicher Sommelier wie ein fahrender Staubsaugerhändler, seinen elektrischen Schrott an der Haustüre empfiehlt, hinstellt. Ein primitiv aufgezuckerter Sekt wird schon nur zu gerne als Champagner erkannt.
Es gibt bereits eigene Akademien, gegründet um im wahrsten Sinne des Wortes zu lernen, wie man die Gäste geschickt zu mehr Alkohol verputzen anregen kann. Der marktorientierte künstliche Ruf modernistischer Trink- und Esskultur erfüllt die Wunschvorstellungen des verdummten Publikums voll und ganz, und der Umsatz steigt.
Sogar Kaffee hat bereits hunderte Nuancen, die das zungentaube Publikum aber nur mehr erkennt, wenn es ihm ein blasswangiger nobler Diener im Kaffeehaus oberflächlich erklärt. Der wirkliche Ruf gewisser Produkte geht völlig um Wust der Erklärungsgeschichten unter.
Dieser gehört schon immer zum hauptsächlichen Erlebnis in der Gastronomie. Er macht für den Genuss die feinste Empfindung aus. Nur wenn dieser marktanregende Müll aus den Marketinglaboren der Medienmacher entfernt würde, kann unser Geschmack eventuell wieder zum entwicklungsgeschichtlich gewachsenen Erlebnis werde. Ein ganz wesentlicher Teil, sozusagen, in der menschlichen Evolution. Doch die Gewürzindustrie ist dabei unsere Zungen völlig mit ihren Extrempulvern zu beherrschen.
Das bessere, klare und einfache Verständnis vom Essen, der Mahlzeit, würde unser Gefühlsleben in Hinsicht unserer Ernährung wieder neu belegen und bereichern. Wir geben mit unserer nächsten Mahlzeit immerhin uns, unsere verlorene Form zurück.
Die Industrielle Form der Verköstigung hat den Menschen bereits weitgehend zu einer zivilisatorischen Einfalt verdammt. Diese Nahrungsmittelkultur ist auch der Verrat an der landwirtschaftlichen Kulturgeschichte. Nicht nur tausende Köche und Köchinnen sind davon total verblödet, es ist die Kundschaft, welche beeinflusst von den Irrlehren der Lebensmittel - Industriewelt, diese Sinnlosigkeiten am Teller verlangt.
Ein Teufelskreis, dem keiner zu entkommen scheint. Solche die es aufzeigen, haben keinen Raum ihre Kritik zu zeigen. Solche die es richten können haben ihre Seele längst dem Markt verkauft und hängen in einem Netzwerk das sie langsam aber sicher meuchelt.
Der Anfang dieser totalen Unbildung erfolgte schon unter dem Nationalsozialismus, wo das „kulinarische“ völlig abgelehnt wurde und ein heuchlerisches Loblied auf die „Natürlichkeit“ gesungen wurde. Was man gewissen Speisen nachsagte, die Verminderung der kulinarischen Bedeutung von Frische und gesundem Kochverfahren, ein völlig umgewerteter Begriff war dann eben auch schon die Hervorhebung des natürlichen Geschmacks von völlig diesem Zustand entfernten Speisen.
Die militärischen Vorteile einer konservierbaren Ernährung kannte man ja aus den Jahrhunderten vorher. Diese Kriegskultur überflutet jetzt unsere Nahrungsmitteldecke.
Der Versuch einen „Volksgeschmack“ heranzubilden, gipfelte in der Idee, fast nur mehr industrielles Essen zu forcieren. Jenen unbeeinflusst von natürlichen Vorgängen zu liefern, das erfüllt bis heute die Lebensmittelindustrie bei Fertigspeisen. In die selben Fußstapfen tritt ganz offen jetzt der nach "versteuerbaren" Speisen lechzende Staat, dem jeder Individualist als Koch ein Dorn im Auge ist. Alles in Einheiten verpacktes Material ist daher auch vom Staat gefördert. ebenso die großen Fastfood Ketten, die ihre Gewinne nicht einmal hier versteuern sollen, nur der Umsatzaufwand reicht der Staatskasse völlig aus.
Ein kulturgeschichtlicher Verrat wie er im Buche steht! Beim Essen hätte man nämlich den unmittelbarsten und besten kulturgeschichtlichen Kontakt zur Natur eines Landes, die uns diese Mahlzeiten in der Landwirtschaft zu schenken fähig ist. Die jeweilige Mahlzeit sollte aber auch ein unwiederholbares Einzelstück sein, keine Massenproduktion. Wo ein Großbetrieb steht könnten zehn Familien leicht ihr Gasthaus betreiben.
Im Zeremoniellen des Kochens und des Servierens ist die gesamte Vergangenheit jeder Kultur aufgehoben, so kann man ein Land, ein Volk am besten kennenlernen. Das ist eine lange erwiesene Tatsache, die schon Brillat Savarin hervorhob, und in seiner Lehre vom Geschmack niederschrieb.
Der Zusammenhang von Wissen und Genuss ist jedenfalls jetzt dabei, für immer verloren zu gehen. Zuerst aber wird es wieder der handwerklichen Fähigkeiten bedürfen, alle Arbeiten, die ducrch den Einsatz von Maschinen jetzt nicht mehr gebraucht werden, neu zu lernen. Sich damit zu beschäftigen lohnt immer.
Bernhard Gössnitzer im Juli 2023