Warum Amphicles.net ?
16.11.2021
Wozu sind Vorbilder da?
Ohne ein Vorbild funktioniert die Berufsausbildung nicht. Das ist keine Sinnbefreite Behauptung, sondern das entspricht der Wirklichkeit. In der Technik und Mechanik gibt es die Erfinder, die Entdecker gewisser Dinge, die diese Errungenschaften zu denen der junge Mensch sich berufen fühlt, entdeckten und zum Wohl der Menschheit auf die Welt brachten.
Wer Koch wird, oder Kellner hat keinen Ferdinand Porsche oder Adam Opel zum Vorbild, kein Newton oder Einstein hatte je einen Bezug zur Kochkunst, oder war ein vorbildlicher Oberkellner, außer dass ihnen eine gesunde Mahlzeit sehr geschmeckt haben muss..
Unsere Vorbilder finden sich leichter in der Bibel. Der Haushofmeister eines Pharaos, der Sohn Israels, Joseph der von seinen Brüdern an Sklavenhändler verkauft wurde, war auch Mundschenk und musste wohl auch gute Kenntnisse in der damaligen Küchenkultur gehabt haben.
Oder die lustige Wirtin am Stadttor von Jericho, welche den jüdischen Spionen das Wissen verriet, mit dem sie die starken Mauern wenig später überwinden konnten.
Wer in meiner Generation Koch geworden ist, hatte es nicht leicht. Wir wurden von Küchenchefs unterrichtet, die nach dem zweiten Weltkrieg selbst die härtesten Zeiten für junge Kochlehrlinge mitmachen mussten, und somit auch zu ihren Untergebenen nicht die feinsten Menschen geworden waren.
Küchenpersonal war immer zuwenig da, doch Arbeit soviel, dass die Hände die da waren nicht reichten. Man wurde brachial angetrieben und leistete soviel wie oft drei Personen leisten konnten. Unsere Wochenstunden betrugen immer an die 70, währen andernorts bereits die 48 Stundenwoche gegolten hat. Der Monatslohn 1970 betrug knapp 400 Schillinge.
Unter diesen Bedingungen einen "Vorgesetzten" als Vorbild anzusehen war schwer. Dieser tobte ob der vielen Arbeit die er selber kaum schaffen konnte und manch einer dieser Vorgesetzten war noch dazu ein schwerer Alkoholiker. Man konnte froh sein bei einem zu lernen der nicht prügelte.
Die Köche die ich später bei meinen Wanderjahren kennenlernte waren mir auch keine Vorbilder. Sie waren wie Hörige ihrer Brötchengeber, den großen Hotelkonzernen. Sie funktionierten wie Maschinen, automatisiert mit dem Betriebshandbuch einer ausgeklügelten technokratischen Organisation, wo Umsatz und Cashflow die größte Rolle spielten.
Die historischen Köche der vorigen Jahrhunderte taugten auch nicht als Vorbilder. Ihre Lebensgeschichten waren geprägt von sklavischer Demut vor dem gastronomischen Befehlshaber, in Herrenhäusern, Palästen und dann Restaurants.
Da erzählte mir ein sehr alter Mann, den ich zufällig als meinen Gast kennen lernte, der auch eine ähnliche Karriere hinter sich gebracht hatte, nicht in Hotels, sondern weit härter, in einem Konzentrationslager des Deutschen Reichs, von der jüdischen Küche. Eine Küche die auf vieles verzichtete was wir ins Essen geben mussten. Eine Küche die sogar Essen von bösen Leuten nicht erlaubte, neben vielen sehr interessanten Vorschriften wie gute Mahlzeiten beschaffen zu sein hatten.
Koscheres, sauberes Essen musste von guten Produzenten kommen, von guten Kaufleuten verkauft werden und von guten Köchen, solche die auch ein gutes Herz hatten, gekocht werden. Dieser sehr alte weise Mann erzählte mir von Amphicles, der fast sagenhaft im antiken Griechenland die Küche reformiert haben soll. Die Überladung der Kochkunst damals ähnelte dem, was ich als junger Mensch erlernt habe.
Überwürzte Speisen und Vermischungen die dem Körper der Menschen nicht wohltun konnten.
Vor allem Speisen die eine unendliche Mühe zu produzieren erforderten, und dann in Sekunden von irgendwelchen "zungentauben" Idioten verzehrt wurden. Essen als Auswuchs des Hedonismus, welcher gerade bei den Mahlzeiten seine übelste Fratze zeigt.
Das Ziel der Hedonisten, die Lebensweise und Verhältnisse der Menschen zu verbessern, wird bei der Kochkunst maßlos übertrieben. Kein genießbares Lebewesen ist jetzt mehr vor diesen Menschen sicher. Sie werden von den Köchen und Betriebsinhabern angebetet, als ihre besten Gäste. Die moderne Allesfresserei ist weltweit ausgebrochen.
Der historische Amphicles soll die Auswirkungen der üppigen Völlerei damals beobachtet haben. Er sah die Gichtbeulen der Feinschmecker und hörte das Jammern ihrer Ärzte und bedauerte die Liebe der Feinschmecker zu ihren Wirten. Er soll bemerkt haben,wie die Feinschmecker von den Wirten langsam getötet wurden, während sie ihre Mörder über alles gepriesen hatten.
Sein Aufruf, einfacher zu kochen, ein kleines Feuer, ein Topf mit Wasser und wenigen Gewürzen, Salz fand bei klugen Menschen Gehör. Seine Küche soll die Esskultur im antiken Griechenland verändert haben. Man erzählt , dass Amphicles ein Einwanderer aus Israel war , das Land war damals von den Griechen besetzt.
In unserer Zeit finden wir einen ähnlichen Auswuchs der Esskultur. Unzählige Gerichte, mit allen möglichen Zutaten, aus aller Herren Länder und mit Geschmacksstimulierungen die kein Magen mehr aushaltet.
Die Köche sind die Leidtragenden. Immer schon mussten sie diesem Drang der Märkte nachgeben und aus Konkurrenzgründen so viele Speisen gleichzeitig erzeugen, dass die Qualität des Essens niemals gut sein konnte. Das erzeugt ein schlechtes Arbeitsklima und verhindert auch eine gute Ausbildung. Es gibt auch für die Kundschaft ein gefährliches Essen. Die ernährungsbedingten Leiden sind weit verbreitet, weil buchstäblich alles zusammengefressen wird, was sich darbietet.
Also ist Amphicles mein Vorbild geworden. Im Einfachen ist das Wahre. Das gilt auch beim Essen. Das ist gesund und mach Spaß bei der Arbeit damit.
Bernhard Gössnitzer