Das modefleisch
interessiert mich nicht





14-12 - 2021



Vermarktung ist alles.





Hier ist das Fleisch frisch. Und einige Tage später ist es bereits gegessen. Gutes Fleisch braucht keine Extra Behandlung damit es teurer wird. Frisch ist das Beste.



Wer es gerne mag, hat nicht ganz nachgedacht. Hier einige Anmerkungen von mir , die zum Nachdenken anregen.





Dried Aged Beef



Es ist in aller Munde. Es gibt Reifeschränke die der angesagte Koch sich ins Lokal stellen kann. Wo der Gast sozusagen sieht was er bekommt. Das ist nach meiner Ansicht billige Effekthascherei die für viel Geld angelegt wird, und dient nicht der guten Mahlzeit.





Dried aged beef.


Seit langem schon der Popstar auf vielen angesagten Speisekarten. „Getrocknetes gealtertes Rindfleisch“ Dried aged Beef klingt besser, aufgewerteter. Wer will schon altes Rindfleisch, was es in der Tat eigentlich auch ist. In einer Fremdsprache hören sich auch die blödesten Schlagertexte besser an.


Das ist auch bei den Fleischvermarktern angekommen. Denn vom Bauern kaufen kann man das noch nicht. Bei den Fischen und beim Gemüse sind das die „Baby Seezungen“ oder die „Baby Karotten“ Beef klingt schon mal gut. Das Kalb als Baby Beef geht dann doch zu weit?

Das, worum es geht, ist das Fleisch von Ochsen, Kühen und Büffeln. Dried aged, klingt auch viel besser. Hier geht es um eine Methode, das Fleisch durch lange Lagerung extra zu behandeln. Damit es auch schön teuer ist. Dass auch aus dem zähesten Kuhfleisch ein saftig weiches Steak werden kann. Mit dieser Methode leisten Mortifizierungs Enzyme ganze Arbeit. Dem darauf eingestellten Feinschmecker zergeht das Stück Fleisch auf der Zunge, und es bringt ihn zum Jubeln.


Früher galt in der Küche die Regel, je kürzer die Zubereitung, desto besser die Mahlzeit. Also frisch vom Fleischhauer, vielleicht einige Tage im Kühlschrank, aber dann ab in die Pfanne oder auf den Grill. Findige Händler haben diese Methode der Fleischbehandlung einigen Naturvölkern abgeschaut, die das Fleisch in einer trockenen Umgebung vom Wind trocknen lassen.


In Österreich kennt man den berühmten luftgesechten Speck. Der wird vor dem Aufhängen in guter Luft eingesalzen, was ihn so gut macht. Jeder Speckproduzent kann uns erklären, wie wichtig es ist, dazu eine besondere Fleischqualität zu verwenden.


Luftgeselchter Speck ist kein dried aged Beef. Im Dried aged Beef arbeiten Enzyme, die kurz nach den Tod des Tieres die Verwesungszustände einleiten, daher es ohnehin deshalb schon angebracht ist, das Fleisch schnell zu verarbeiten. Diese Mortifizierung zerbricht die Zellwände und das Fleisch wird weicher, weil der Zusammenhalt der Struktur geschwächt wird. Würde man das Fleisch ohne besondere Reifungsumgebung lagern, wäre es schon nach einer Woche ungenießbar. Kadaverin, ein Leichengift entsteht und macht das Fleisch ungenießbar. Besonders Lebensmittel die reich an Aminosäuren sind, entwickeln, wenn sie nicht richtig konserviert sind, infolge der Bildung von Leichen faulige Gerüche. Im Normalfall stellen die biogenen Amine in Lebensmittel keine Gefahr dar. Der menschliche Körper hat dafür gute Kontroll- und Abbaumechanismen im Verdauungstrakt. Nur bei hoher Konzentration dieser biogenen Amina (1000ppm Histamin) wird es kritisch. Wenn die Kontrollmöglichkeiten durch einen genetischen Defekt gestört ist, oder Alkohol diese Funktion stört, kann es zu Vergiftungserscheinungen kommen. Kopfschmerzen, Durchfall oder Hautausschlag. Cadaverin und Histamin kann sich in der Wirkung dramatisch erhöhen. Passiert auch bei anderem Essen das alt geworden ist.


Der gesetzlich zulässige Höchstwert bei Fleisch beträgt 200ppm. Daraus kann man ableiten, wie dieser Höchstwert von den Produzenten von dried aged Beef gut ausgenützt werden kann. Das was früher die trockene Wüstenluft machte, bewältigen jetzt die Schaltkreise von Klimasteuerungen in großen Lagerräumen. Durch diese Verwertungsmethoden kann das Rindfleisch einen zusätzlichen Markt erobern. Das hilft den Fleischüberschuss zu einer Jahreszeit zu puffern. Mindere Qualität kann durch die besondere Behandlung aufgewertet werden, und durch die massiven Werbemaßnahmen erzielt es bei den Konsumenten einen höheren Preis. Eine Win Win Situation die allen Beteiligten schmeckt!


Man behauptet in der Werbung es versetzt Fleischliebhaber in Erregung:


Dry Aged Beef, das trocken abgehangene Rind, soll die besten Steaks der Welt liefern. In den USA sind die am Knochen gereiften Rinderrücken schon seit Jahrzehnten Kult. Die Trockenreifung des Fleisches, das sogenannte Dry Aging (trockene Alterung), ist das älteste Verfahren der Fleischreifung. Hierbei wir das Fleisch am Knochen über einen gewissen Zeitraum bei kontrollierter Temperatur und Luftfeuchtigkeit abgehängt. Trockengereift, wie man so schön sagt. Diese Methode stammt aus Wüstengegenden der Erde wo die Luft eine natürliche Trockenheit hat. Ein Geruch der lockt und abstößt. Nach einiger Zeit bildet sich im Kühlhaus ein Duft, der Steakliebhaber schwärmen lässt. Es riecht nach Schinken, nach Moschus, frisch gebackenem Hefezopf, Raureif und verschwitzten Wollsocken, etwas Rindermist und Kuhurin, alles gleichzeitig. Der Somellier flippt aus! Das Dry Aged Fleisch ist schwarz wie Blutwurst und hart wie Brotkruste, darüber wuchert ein feiner Flaum aus Schimmel. Durch Dry Aged Trockenreifung verdunsten große Mengen Fleischsaft, die Rinderrücken schrumpeln zusammen. Vor dem Verkauf müssen die Metzger die äußere Schicht Fleisch wegschneiden, weil sie durch die Luft hart, schimmelig und ungenießbar geworden ist. Ein Rinderrücken kann während der Dry Aged Trockenreifung bis zu über einem Drittel seines Gewichts einbüßen Tatsache ist, dass das Fleisch bei dieser Methode kontrolliert verwest. Es fault unter einer Schicht von Schimmel. Es wird ein Kadaver.


Mein erstes Dried aged Beef Erlebnis hatte ich 1975 in einem Schi Ort Tirols, als ich zu Beginn einer Wintersaison, als Alleinkoch in einem kleinen Hotel werkelte. Bei der Durchsicht der vorhandenen Zutaten öffnete ich auch eine große Tiefkühltruhe, eine Schatzkiste Spezialitäten, die der Koch vom Sommer mir hinterlassen hatte, darin ich eine eine zu viel eingekaufte, übriggebliebene Rinderkeule entdeckte, die mein Vorgänger Koch dort in einem Plastikbezug gerollt und mit den Knochen drin, eingefroren hatte.


Es sollte Rinderbraten geben. Als das Teil dann endlich nach drei Tagen wieder aufgetaut war, merkte man es am Morgen gleich im gesamten Haus. Ein bestialischer Geruch hatte sich nachts durch die Gänge hochgeschlichen und bis in den letzten Winkel verbreitet, und brachte Ekel ans Frühstücksbuffet. Das Chaos brach aus, denn man ahnte noch nicht woher das kam. Es war der Rinderschlegel der im Kellermagazin über Nacht ganz aufgetaut war, und sich als vollkommen verfault entpuppte. Ein Geruch von Leichengift füllte die Räume rings herum, das blieb für jeden der das erlebte, noch einige Tage in der Nase. Der Koch hat ihn mit Sicherheit schon verdorben eingefroren, oder es war der Strom einige Wochen abgeschaltet.

Das große Stück zu entsorgen, galt es flink zu sein. Der Hausmeister wurde gerufen und eine Pistenraupe der Liftgesellschaft brachte das stinkende Teil über die Schipiste zu einem sehr steilen Abhang, wo das erste Dried Aged Beef meines Lebens weit hinunterkollerte und unter einem Schwall Schnee verschwand. Im Sommer wird es Futter für die Geier geworden sein...


Ich verwende dieses Fleisch nicht. Bei dem Gedanken, dass es von den Liebhabern noch fast roh verzehrt wird, kommt Ekel auf. Mit genug Gewürz und einer ordentlichen Steaksoße, Chili und Ketchup dann doch eine regelrechte Freude bei den Profi- Grillmeistern.

Guten Appetit ​.


​Bernhard Gössnitzer