Wenn zu viele Böcke Gärtner werden





19.4.2022



Eine der größten Dummheiten die Gastronomen machen, äußert sich in Teilnahmen an Versammlungen von Gastronomen die ihnen in beratender Funktion ihr Erfolgsrezept vermarkten wollen. Was als ein gut gemeintes gesellschaftliches Ereignis aufgemacht ist hat gewisse Tücken. Was für einen Gastronomen mit schwacher Betriebspolitik dabei herauskommen kann ist oft nur eine noch größere Einfalt in der Art seiner Wirkung.





Fehlt Dir die Weisheit in manchen Dingen,

Lass Dir den Nürnberger Trichter bringen.


Den besagten Trichter gibt es seit langer Zeit schon in Form von großen Versammlungen. Wo sich ein Volk, hier das Volk der Gastronomen versammelt, um von ihren "Vorbildern" den Weg und die Mittel zu erfahren wie man noch besser werden kann.


Das sich selbst als WHO is WHO der Gastronomie ausweisende Volk versammelt sich immer gerne zu einer "Convention". Ziel ist ein Austausch von Wissen. Gedacht ist es aber dass der Wissenfluss von sogenannten "Oberen" zu den sogenannten "Unteren" fließt.

"Convienience Convention" könnte man sagen. Das Berufsleben bequemer machen. Reicher werden. Bequem einen Tag für Bildung opfern. Bisserl Smalltalk, bisserl Tuchfühlung mit bekannten Promiköchen, deren Achselschweiß riechen dürfen, Bussi Bussi. Der Veranstalter ist ein "Fachzombie" der sich damit einen Namen machen möchte. Das Sponsoring übernehmen dabei immer die entsprechenden Lieferanten von Ausstattungen in Hotel und Gastgewerbe. Die bekannten Großmärkte, Weinkellereien, Bier- wie Energy Drink Erzeuger, Spirituosen Hersteller und viele andere. Den Rest zahlt das Publikum selbst. Als Vortragende sind natürlich auch die allseits bekannten Archetypen des Gewerbes zu sehen. Das VIP Volk, die oberen dreihundert im gastronomischen Schwanzvergleich der Welt, des Landes. Die Sponsoren buhlen um die Gunst der anwesenden Fachleute. Deren durchaus "nuttige" Spitzenfachleute zeigen uns, den "Armutschkerln" ihrer Zunft, wie es bei ihnen geht und bei uns gehen könnte... Wäre da nicht der Denkfehler an welchen keiner dort denkt: Was kommt, wenn alle so gut werden wie die Vortragenden selbst? Wenn alle Böcke zu Gärtnern geworden sind?

Gibt es da im großen Topf noch für jeden was zu fressen? Wenn, sagen wir einmal dann ein Tankstellenstüberl, drei Sterne im Michelin Führer hat? Weil er just dem Steirereck Brutzler seinem Erfolgsrezpt gefolgt ist, und die Käsekrainer im neuartigen Holdomat macht, seinen Senf noch als Eiskugel dazugibt und in den weissen Spritzer im mundgeblasenen Turmöl Edelglas eine Staude Melissenkraut steckt ?

https://www.hugentobler.ch/de/produkte/holdomat


Der Vorsatz ist gut!

Sie wollen uns "weniger Glücklichen" nur Gutes tun! Wir Zuschauer sollen werden wie sie sind. Schnell und unkompliziert. Von jetzt auf gleich. Das geht natürlich auch Ruckzuck. Erfolgsgarantie! Instant Karma! Alles was bisher war, wird Zuwenig. Die Speisenkarte muss neu sein, die Teller nicht mehr weiß sondern in Schmutzfarben, Tischwäsche weg und Papierdecken her, was der Wirt bisher hat, ist falsch. Toilette 30 Grad geheizt? Die Homepage soll was kosten. Tausend Dinge könnte man ändern, doch es wird eine Uniformierung eines Gewerbes erreicht. Ein Gewerbe das früher einmal wirklich bunt war, mit großen Unterschieden auf allen Feldern. Jetzt ist es ein Einheitsbrei, wo sogar die Berufswäsche bereits so uniform ausschaut, dass es beim Essen möglicherweise gar nicht mehr auffällt.

Dazu gibt es solche "Conventions". Nichts wie hin! Dafür braucht man etwas Zeit, ein Eintrittsticket, das gibt es gleich für Frühbucher extrem verbilligt, und viel Ehrgeiz, Neugier und etwas Größenwahn wäre auch nicht schlecht. Den sollte man als Wirt ohnehin haben. Letzterer ist daher auch bei Gastronomen oft schon genetisch veranlagte Familientradition und damit auch die Grundlage des Erfolgs der dort auftretenden Gastro Weisheits Inzucht aus der Branche der Spiessbrater und Pürrierstabkönige.


Dabei sind sie, die selbsternannten Lehrer und Gurus der kochenden und servierenden, weinabschmeckenden Zunft selber oft durchaus fragwürdige Personen. Ihre Firmenkostrukte sind um es gelinde auszudrücken, manchmal verwegen. Ihr Erfolg beschränkt sich oft nur auf die Einträge in einschlägigen Werbepublikationen. Abgesehen von der beruflichen Selbstüberschätzung der jeder dort schnell einmal unterlegen ist, gehören Ehrsucht und etwas Narzissmus sowie rasende Mediengeilheit zu den Grundvoraussetzungen eines gelungenen Auftritts als Vorstragender auf solchen Versammlungen.


Doch Vorsicht! Die Zusammenrottung so vieler Gleischgeschalteten, birgt ein seelisches Risiko für Jeden. Jederzeit kann der Massenwahn ausbrechen. Gottseidank sind das keine Büffel.

Das Publikum dagegen muss besonders wissbegierig und in Innovationslaune sein, wobei es egal ist wenn es sich dabei auch nur um eine banale Selbstäuschung handelt, oder ein richtiger "Wille zur Macht" vorhanden ist. Bevor man Wissen kann muss man Glauben können, und an dem fehlt es doch den Gastronomen nie.

Es gab früher als die Traktoren aufkamen, Bauern mit 10 Hektar Grund, die auf der Landwirtschaftsmesse im Rausch von einem gerissenen Vertreter einen Riesentraktor kauften, um dann festzustellen, dass ihr Gelände gerade einmal für ein Pferdegespann tauglich war.


So in etwa können dort im Publikum dann ein Vorstadt Beislwirt oder ein Neupächter von Landgasthöfen, bei den Zuhörern gibt es kein Auswahlkriterium, in gutmütiger Geberlaune, fachlich wie menschlich ordentlich draufzahlen. Das Geschäftsmodell eines begnadeten Fernsehkochs abkupfern, möchte gewiss ein Jeder, um die dazugehörige lukratrive Kundschaft zu bekommen, schnell reich zu werden, um sich etwa davon ein Haus auf den Malediven zu kaufen.


Schnell kommt man ans Bilder malen, doch schwer an Leute die´s bezahlen...

Öfter aber mit fatalen finanziellen Folgen. Denn die Sterne und Haubenkoch - Industrie hat viele ihrer Ausstaffierungs - Nachäffer - Aspiranten in das finanzielle Fiasko gestürzt. Denn es geht immer um das liebe Geld. Die Umsätze der Ausstattungs - Lobyisten sollen kräftig ansteigen.

Bei solchen Versammlungen (Conventions) gehts um die "richtige" Ausstattung und das "richtige" Angebot auf den Speisenkarten, auch den "richtigen" Anzug vom Chef und der Uniform der Servierkräfte. Das technische Inventar darf nicht fehlen. Selfcookingcenter und neue Foodprozessoren um das neuartige Denaturieren der Speisen zeitgemäßer zu machen. Lagertechnik, Kühltechnik. Ausbeutung des Humankapitals in der Form von Gästen und Mitarbeiter, und Rohstoffen. Die Speisen am Teller werden dadurch nicht notwendigerweise besser, das Betriebsklima trotz einer Lektion Personalpolitikwissenschaft vom Sternekoch nicht besser. Aber man war dort und hat möglicherweise auch ein Teilnehmerdiplom, das den Wert einer Teilnahme an einem Spiel beim Gästabend eines All inklusiv Hotels auf den Kanaren hat.

https://www.rational-online.com/de_at/icombi-pro/


Auf alle Fälle geht´s ums Geld. Um viel Geld, das manche Gastronomen gar nicht haben. Denen geht´s oft um das nackte Überleben. Die Hoffnung stirbt doch immer zuletzt. Darauf haben die Veranstalter von solchen Veranstaltungen natürlich auch gebaut. Digitalisierte Verarschung.

In Wirklichkeit ist das aber nur völlige Zeitverschwendung, nutzloses Versammeln von einer in sich geschlossenen Wissensgemeinschaft, die nur neue Märkte für ihren glitzernden Humbug sucht, und vor allem um ein finanziell gesteuertes, sich teuer und zeitaufwändig, von noch größeren aber schlaueren Deppen ins Hirn scheißen zu lassen. Die Verhinderung einer sich selbst bildenenden Gastfreundschaft schlechthin. #Massenware. #Massenbeglückung.

Könnte mir nicht passieren.

Bernhard Gössnitzer